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Brauchen wir diesen Mann in der Hofburg?

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Heute bin ich beim offiziellen Wahlkampfauftakt des amtierenden Bundespräsidenten und danach wohl noch ein bissl am Badeschiff. Wer noch?

Heinz Fischer will es also noch einmal wissen: er will “es” noch einmal werden. Aber wozu genau brauchen wir “es” eigentlich überhaupt? Brauchen wir einen Bundespräsidenten? Und wenn wir dieses Amt wirklich brauchen sollten, muss es dann ausgerechnet so eine “Schlaftablette” wie Fischer sein?

“Unser Handeln braucht Werte” steht auf seinen Plakaten. Das finde ich auch. Wenngleich damit ja noch nichts darüber ausgesagt wird, welche Werte genau gemeint sind… und klar spielt der Slogan des aussichtsreichsten Kandidaten, der es fast allen irgendwie recht machen muss, mit ebendieser Unklarheit. Jeder kann seine eigenen Werte in diesen Slogan hineinlegen, ohne dass das dem Wähler oder dem Kandidaten wehtun könnte.

Im Fall einer Bundespräsidentenwahl halte ich den Slogan aber für ganz gut gewählt. Wahr ist doch: wir brauchen Politiker, die “irgendetwas” wollen. Und dabei ist zunächst mal gar nicht so wichtig, was genau sie wollen. Österreichische Wählerinnen und Wähler wären durchaus schon glücklich, wenn die überhaupt mal “etwas” Erkennbares wollen würden. Allerdings dann doch mit einer wichtigen Einschränkung: dieses “etwas” darf nicht ausschliesslich die eigene Karriere und der eigene persönliche Vorteil sein. Politiker, die meine Stimme haben wollen müssen eine Grundvoraussetzung erfüllen: der Zweck (wiedergewählt zu werden) darf nicht die Mittel (jedes beliebige Argument) “heiligen”. Dafür steht dieser Slogan: “Unser Handeln braucht Werte”.

Und dann gibt es da natürlich ein paar politische (Grund-)werte, die alle Politiker teilen sollten, damit wir uns den Boden auf dem wir stehen nicht schon bald wieder unter den eigenen Füssen wegziehen: Entscheidungen müssen vorhersehbar sein, also auf Basis von Regeln fallen (Rechtsstaatlichkeit). Über die Gestaltung dieser Regeln muss das Volk das letzte Wort haben (Demokratie). Die Mehrheit darf aber über unbedingt garantierte Freiräume von einzelnen Menschen und Minderheiten nicht so “mir nichts dir nichts” drüberfahren (Grundrechte). Auch dafür steht dieser Slogan.

Sein Augenmerk als Wähler auf genau solche Grundwerte zu richten ist im Fall einer Wahl zum Amt des Bundespräsidenten besonders wichtig. Denn im Gegensatz zum geschätzten Herrn Bäck und vielen ähnlich denkenden Bürgerinnen und Bürgern, die im Bundespräsidenten eine Art lebendes Wappen zum Zwecke der würdevollen Durchführung von Kranzniederlegungen sehen, ist dieses Amt mitnichten zu unnötig für eine persönliche, direkte Wahl. Viel wichtiger als Neujahrsreden oder das Protokoll beim Empfang ausländischer Staatsoberhäupter ist, dass der Bundespräsident im Fall einer schwerwiegenden Verfassungskrise unsere allerletzte Karte ist: der “Sküs”, der alle anderen sticht.

Damit meine ich nicht, dass wir uns von Heinz Fischer erwarten sollten, dass er zB die nächste FPÖ Regierungsbeteiligung “verhindert”. Nein, darum gehts gar nicht, das österreichische Volk wird und soll schon genau die Regierung bekommen, die es sich wählt und ergo auch verdient.

Solange sich diese Regierungen an alle demokratischen Grundspielregeln halten. Sollte nämlich eines Tages irgendjemand den Boden dieser Grundspielregeln verlassen, dann brauchen wir in genau diesem Moment einen Bundespräsidenten, der verstanden hat, dass die historische Stunde geschlagen hat, in der er verpflichtet ist “aufzuwachen” und von all seiner normalerweise nur “theoretischen” Machtfülle auch Gebrauch zu machen: er kann die gesamte Regierung entlassen, das Parlament auflösen und Neuwahlen ausschreiben, im Extremfall sogar per Notverordnungen selbst regieren. Und er ist für sein Handeln nur dem Volk – direkt – verantwortlich. Nur das Volk kann ihn – direkt, per Volksabstimmung – absetzen. Sicher: sollte dieses Volk eines Tages den nächsten starken Mann wollen und seine eigene “Volksherrschaft”, unsere Demokratie, nicht mehr schätzen können, dann wird das auch der Bundespräsident nicht verhindern können. Aber was er verhindern kann, ist, dass in einer dunklen Stunde ein paar emporgekommene Scharlatane im Handstreich etwas “schaffen”, das niemand will und niemand wollte. Darum gehts in einer Verfassung der “Checks and Balances”. Und ich bin überzeugt, dass Heinz Fischer eine Persönlichkeit ist, die solche politischen Grundfragen verstanden hat.

Übrigens, weils grad mehr oder weniger passt: wie sehr manchen Vertretern konservativer Werte ihr eigenes Wertegerüst wegzubrechen scheint stellt Andreas Unterberger unlängst in seinem “nicht ganz unpolitischen Tagebuch” eindrucksvoll unter Beweis. Langatmig referiert er, warum gleichermassen Rosenkranz wie Fischer beide nicht wählbar seien. Unter anderem kämen sie beide nicht aus der geistigen Mitte Österreichs, hätten sie beide nicht dieselben kulturellen Wurzeln wie die Mehrheit der Österreicher, weil sie beide nicht Mitglied einer Glaubensgemeinschaft seien. Gehts noch? Wie blind kann (Sozialisten-)Hass eigentlich machen, wenn man nicht mal mehr den Unterschied zwischen dem notorisch abwägenden Demokraten Heinz Fischer und der notorisch nach rechtsaussen schielenden Rosenkranz erkennen kann? Auf welche Werte ist man in den Kreisen von Herrn Unterberger noch bereit zu verzichten, nur damits kein “Sozi” wird? Der Zweck des Sozialistenbashings “heiligt” dort – wo die Mitte Österreichs am Tag der Bundespräsidentenwahl genau nicht sein wird – anscheinend schon fast alle Mittel.


© & Credits Oliver Schopf – ThankU!

Und apropos “Mittel”: dass Fischer vielleicht tatsächlich ein “Schlafmittel” sein mag, einer, der keinen einzigen Satz ohne hundertfache Abwägung, Vorsicht und Rücksicht zu formulieren imstande ist, ja, das “verzeihe” ich ihm aber gerne. Die “letzte Karte Bundespräsident” wird im Idealfall nie, realistisch vielleicht einmal alle 50 bis 100 Jahre “ausgespielt”. Dafür benötigt es erfahrene Persönlichkeiten, die sich in gut bezahlter Untätigkeit bescheiden können. Es gibt wenig Unerquicklicheres als (hyper)”aktive” Bundespräsidenten, die unheimlich “wichtig” sind und sich mit markigen Statements und Auftritten selbst inszenieren. Wir hatten das auch schon durch…

Ähnlich leicht getan hätte ich mir mit einer Empfehlung zB für den schwarzen Alois Mock, die liberale Heide Schmidt, den grünen Alexander van der Bellen: Menschen, die sich nicht mehr “profilieren” und entsprechend “aktiv” sein müssen, die im Lauf ihres politischen Lebens unter Beweis gestellt haben, dass der Zweck wiedergewählt zu werden nicht jedes politische Mittel rechtfertigt, dass sie tatsächlich “wertorientiert” handeln. Und während z.B. Werner Faymann seinen Kredit bei mir schon vor seiner Angelobung zum Bundeskanzler verspielt hatte, wird Heinz Fischer zum zweiten Mal meine Stimme bekommen.


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